Mission 3: Attacke der Freibeuter

Starbase Mamori - Die Chronik
Juli 2007, Teil 1b: Gesamt 79 Züge
Spielzeit: 3. Juli 2380, ca. 15:30 Uhr
Sternzeit 57.507,2

Kapitel 48: Alle Wege führen nach Mamori

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*** 4 Stunden später: 15:30 Uhr Mamori Ortszeit, Sternzeit 57.507,2 ***


--- Ziviler Frachter "S.S. Hamburg", unterwegs zur Starbase Mamori

Es konnte eigentlich nicht mehr lange dauern und zu Johns großer Überraschung war bisher auch noch nichts weiter passiert. 'Nur nicht den Teufel an die Wand malen!' ermahnte er sich selbst.

Doch anscheinend zu spät, das Licht flackerte erneut. John erhob sich und ging zu ihrem Captain hinüber. "Sagen Sie, meinen Sie dieses, ähm, Schiff schafft es noch bis zur Station?"

"Was wollen Sie denn damit sagen?" fragte Stone empört: "Mein Frachter ist einer der schnellsten!"

"Ja, das merke ich", sagte er ironisch, denn gerade in diesem Moment erlosch das Licht und kam auch nicht wieder.

"Zugegeben, hin und wieder verschluckt sie sich ein wenig. Ist ja nicht mehr die jüngste und eigentlich nicht für solche Geschwindigkeiten ausgelegt", lenkte Stone ein. "Sie sollten sich lieber festhalten", ermahnte er John noch. Dann schlug er wieder einige Male auf die Mittelkonsole und fand tatsächlich noch ein paar aufmunternde Worte für sein Schiff: "Komm schon, Süße!"

John wandte sich ab, um auf seinen Platz zurück zu kehren, hier schien er ja nichts ausrichten zu können, zögerte dann aber noch einen Moment: "Wie lange wird es denn jetzt noch dauern?" erkundigte er sich noch.

Genau in diesem Moment beschleunigte der Frachter erneut. John hatte keine Chance und wurde zurück geschleudert, prallte irgendwo schmerzhaft mit dem Rücken auf. Er stöhnte, kam aber gleich wieder auf die Beine.

"Ist Ihnen etwas passiert? Ich habe doch gesagt, halten Sie sich fest!" Immer noch erstaunlich fröhlich.

John hingegen hätte dem Kerl am liebsten den Hals umgedreht, doch das würde sicher Fragen mit sich bringen. "Nein, ist es nicht! Also, wie lange noch?" John klang ausgesprochen wütend. Konnte sich wirklich kaum noch beherrschen und hätte diesem Kerl gerne einige saftige Schimpfwörter an den Kopf geworfen. "Da brauchen Sie doch nicht gleich pampig werden, junger Mann." Vorwurfsvoll betrachtet ihn Stone.

'Das glaube ich jetzt nicht. Mein Tag wird ja immer besser. Nur ruhig bleiben.' Normalerweise die Ruhe selbst, brachte ihn dieser Mann um den Verstand. "Da haben Sie vollkommen Recht", stimmte John mit gespielter Freundlichkeit zu. Und noch eine Spur liebenswürdiger: "Könnten Sie dann, bitte, die Güte haben, mir zu verraten, wie lange wir noch bis Mamori brauchen?"

"Na, sehen Sie, geht doch!" rief Stone über das ganze Gesicht strahlend aus: "Das verrate ich Ihnen gerne, eine Stunde!"

John drehte sich wortlos um und kehrte zu den anderen zurück. Dabei gingen ihm einige nicht sehr hübsche Bezeichnungen für Mann durch den Kopf.

   -- S.S. Hamburg, Quartier Sola

Matti Sola hatte es sich auf der oberen Koje bequem gemacht. Er reiste nur mit leichtem Gepäck bzw. er hatte nur einen alten, ledernen Seesack dabei, wie immer, wenn er auf Reisen war. Wenn sein neuer Posten eine längerfristige Sache wurde, würde er sich seine restlichen Sachen von seiner Schwester Rosalie nachschicken lassen.

Er warf einen Blick auf den Chronometer und stellte fest, dass dieser mit seinem Magen synchron ging. Er schwang sich aus der Koje und machte sich auf den Weg zum Aufenthaltsraum.


--- Peregrin-Jäger, im Anflug zur S.S. Hamburg

Mittlerweile hatten die beiden Peregrins den alten Frachter erreicht und waren längsseits gegangen, jeder auf einer Seite. Viqi befand sich auf der Steuerbordseite der Hamburg und öffnete einen Kanal: "Eryri Gwyn an Frachter Hamburg. Wir werden Sie nach Mamori eskortieren. Halten Sie Kurs und Geschwindigkeit bei."

Backbord der SS Hamburg machte Kerrig Saghi sich ein wenig Sorgen um die Warp-Spulen des Peregrin-Schiffes. Captain Alidar hatte dem Frachter befohlen die Geschwindigkeit zu halten. Warp 7 war bei den Jägern absolute Notfallgeschwindigkeit, und die Spulen der Sompec würden durch die Eskorte beträchtlich an Lebensdauer einbüßen.

   -- S.S. Hamburg, Brücke

"Verstanden, wurde ja auch Zeit, dass Sie sich endlich blicken lassen!" erwiderte Stone fröhlich und nach hinten rief er, genauso fröhlich: "Habt Ihr gehört, Leute? Wir haben eine Eskorte bekommen bis zur Station!"

'Welch ein Glück! Vielleicht wird ja der Rest dieses Tages besser!' John erhob sich um sich im Aufenthaltsraum einen Kaffee zu besorgen.

   -- S.S. Hamburg, Aufenthaltsraum

Er betrat den Raum und ging zielstrebig auf das Terminal zu, um den gewünschten Becher Kaffee zu replizieren. Mit diesem in der Hand sah er sich kurz um und entdeckte den jungen Mann an einem der Tische.

John Harris zögerte, bisher hatten sie sich einander noch nicht vorgestellt und eigentlich wollte er keine Gesellschaft. Er zuckte kurz mit den Schultern, 'Kann nicht schaden', und trat an den Tisch heran. "Hallo", sagte er freundlich: "Wir hatten noch keine Gelegenheit uns näher bekannt zu machen. Ich bin John Harris und werde der neue stellvertretende Chef der Sicherheit auf der Mamori. Darf ich mich setzen?"

Wie üblich hatte John seinen Rang nicht genannt und war auch immer noch in Privatkleidung.

Matti schaute von seiner Tasse Kaffee auf, obwohl diese Tasse eigentlich der Bezeichnung Tasse spottete, da es mehr ein eimerähnliches Gebilde war. Irgendwie hatte der Replikator etwas missverstanden und hatte ihm einen überdimensionierten Pott Kaffee vorgesetzt. Er blickte den Mann an, der ihn angesprochen hatte und stand auf. "Sergeant Major Matti Sola, Sir! Neuversetzung nach Mamori. Angenehm Sie kennen zu lernen." Er streckte die Hand aus.

"Ebenfalls", bekam Sola zur Antwort und John ergriff kurz dessen Hand, um sich dann einfach zu setzten. Er lehnte sich bequem zurück und schlug die Beine übereinander, dabei betrachtete er Sola interessiert. "Wir sind noch nicht im Dienst", bemerkte er beiläufig, dann fiel sein Blick auf den überdimensionalen Kaffeebecher und John konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Sie scheinen ja ein wahrer Kaffeefanatiker zu sein, Mr. Sola! Wählen Sie Ihre Trinkgefäße immer so groß?" spottete Harris, zwinkerte Matti dabei allerdings zu, was die Schärfe seiner Worte nahm.

Matti verzog sein Gesicht zu einem Grinsen und setzte sich ebenfalls wieder. "Das liegt daran, dass mich diese verdammten Replikatoren nicht verstehen können oder wollen. Ich bestelle ein kleines Getränk und bekomme nen besseren Fingerhut. Ich bestelle ein normales Getränk und ich bekomme sowas hier!" Er zeigte auf die monströse Kaffeetasse. "Was ich bekomme, wenn ich was großes haben will, hab ich mich noch nicht getraut, das auszuprobieren."

Er nahm einen Schluck aus dem Riesenbecher. "Haben Sie sich für den Posten auf Mamori gemeldet oder sind Sie dorthin versetzt worden?"

Matti war eigentlich nicht auf eine Unterhaltung eingestellt gewesen. Also improvisierte er.

Ein Ferengi betrat den Speise- und Aufenthaltsraum. In den Händen hielte er ein kleines Stasiskästchen, welches er an einen freien Tisch ablegte und davor Platz nahm.

Flynk ließ sich beim Öffnen des Kästchens Zeit. Bevor er es öffnete, legte er erstmal eine Servierte an und holte eine Gabel aus der Brusttasche. Dann öffnete der Ferengi das Stasiskästchen, auf dem "5-Sekunden-Terrine" stand. Ein paar Rohrmaden entwichen da heraus und Flynk schreckte auf: "Oh, mein Essen krabbelt weg. Daran erkennt man, dass die Rohrmaden wirklich noch frisch sind. Lecker. So liebe ich sie." Er zeigte auf die Rohrmaden und sah lächelnd John und Matti an.

John entging nicht, dass sein Tischnachbar eher etwas gezwungen Konversation zu betreiben versuchte. "Ich habe um meine Versetzung gebeten. Bisher habe ich ausschließlich auf Schiffen gedient und als ich von dem freien Posten erfuhr, habe ich nicht lange gezögert und mich beworben."

John machte eine Pause und beobachte Flynk, der sich ganz in ihrer Nähe einen Tisch suchte und sein Essen aus dem Kälteschlaf weckte. John verfolgte das Geschehen äußerst interessiert, obwohl er genau wusste was kommen würde und wie sehr es ihn ekeln würde, konnte er doch seinen Blick nicht abwenden. Dabei blieb sein Gesichtsausdruck allerdings vollkommen gelassen und verriet nicht, wie sehr ihn das Schauspiel anwiderte. Auf Flynks Bemerkung sagte er nichts, hatte er doch das Gefühl, der Ferengi versuchte absichtlich mit seinem Verhalten zu provozieren. Schließlich gab es auch Tische weiter entfernt. Und er musste einfach wissen, wie diese Vorlieben auf die meisten Menschen wirkten. 'Oder ist es ihm einfach nur egal? Na ja, unwichtig.'

John wandte sich erneut an Sola, eine Spitze konnte er sich dann doch nicht verkneifen: "Wenigstens brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, das ich Sie Kaffee oder sonst etwas holen schicke! Und wie hat es Sie auf die Mamori verschlagen?"


--- Peregrin-Jäger "Eryri Gwyn"

Auch Viqi bemerkte die Überbelastung der Spulen und seufzte tief. Sie würde wohl den Frachter anweisen müssen, seine Geschwindigkeit auf Warp 6 zu drosseln, wenn die Peregrins nicht ausfallen sollten. "Eryri Gwyn an Hamburg. Drosseln Sie Ihre Geschwindigkeit auf Warp 6", gab Alidar durch.

   -- S.S. Hamburg, Brücke

Diese Anweisung gefiel Stone nun überhaupt nicht, doch was konnte er schon groß machen. "Habe verstanden", sagte er mißmutig: "Wirklich bedauerlich, dass Ihre kleinen Schiffe nicht mithalten können! Und bevor Sie zu Schaden kommen, werde ich mal nicht so sein. Ich verringere also auf Warp 6. Stone Ende!"

   -- Eryri Gwyn

Viqi kniff die Augen zusammen, angesichts der Dreistigkeit dieses Mannes. "Diese kleinen Schiffchen könnten Ihnen Ihr Schiff unter Ihrem süssen Arsch wegschießen und es in seine Atome zerlegen", gab sie bissig zurück.

"An Sompeq von Eryri Gwyn. Geschwindigkeit runter auf Warp 6", wies Viqi die Klingonin an und verlangsamte ihr Schiff.

   -- S.S. Hamburg, Brücke

So eine Aussage wollte Stone auf gar keinem Fall auf sich sitzen lassen. 'Die Kleine hat ganz schön Schneid!' Er grinste und rieb sich vergnügt die Hände, das versprach doch richtig lustig zu werden, bis zu ihrer Ankunft auf der Mamori. 'Mal sehen wie lange sie es mit mir aushält!'

"Sie", brüllte er: "Wie können Sie es wagen, solche unschönen Bemerkungen über meinen wundervollen Frachter zu machen! Sie, junge Frau, sitzen da in ihrem winzigen, langsamen Schiffchen und beleidigen meinen stolzen Frachter? Das ist wirklich unglaublich!"

Nach kurzem Zögern fügte er listig hinzu: "Außerdem würde es sicher Fragen mit sich bringen, wenn Sie uns so einfach in die Luft jagen. Denn ich bringe Ihnen hier Ihren neuen stellvertretenden Chef der Sicherheit. Wie würden denn Sie seinen Verlust erklären, Süße?"

Zufrieden mit sich lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück. Das hatte ihm nun wirklich gefallen. 'Mal sehen ob die Kleine so viel Mut hat, darauf noch etwas zu sagen.'

   -- Peregrin-Jäger "Sompec"

"Aye, Madam", bestätigte Kerrig Saghi kurz. Sie war erleichtert darüber die Warp-Spulen nicht ganz so hart ranzunehmen. Auf den kleinen Schlagabtausch zwischen dem Frachterkapitän und Viqi Alidar meinte die Halbklingonin nur: "Sicherheitspersonal wird im Allgemeinen überbewertet."

Das entsprach nicht unbedingt ihrer persönlichen Überzeugung, aber sie mochte nicht, wenn man sich etwas auf VIP-Anwesenheit einbildete.

   -- Eryri Gwyn

"Da haben Sie recht, Kerrig. Sicherheitler werden völlig überbewertet", stimmte Viqi der Klingonin zu. "Wundervoller Frachter? Sagen Sie, haben Sie Ihren Kahn in letzter Zeit mal von außen gesehen? Ich glaube nicht, denn sonst wüssten Sie, in was Sie sitzen", erklärte Viqi nicht minder leise. "Tja, aber mein winziges Schiffchen hat mehr Power unterm Arsch als Ihre lahme Krücke, ach ja, die Waffen nicht zu vergessen", meinte sie mit süßlicher Stimme und grinste breit. "Weiß Ihr ach so toller Passagier, dass Mamori einen hohen Verschleiß an Sicherheitlern hat? Vielleicht überlegt er sich ja noch mal anders. Ach, und übrigens fällt mir bestimmt was ein, wie man den Verlust eines Frachters noch außerhalb der Sensorenreichweite von Mamori erklären kann. Finden Sie nicht auch?"

   -- Sompec

"Der Rumpf der Sydney-Klasse wurde nicht für Warp 9 ausgelegt. Wie kommen die Streben zu den Warp-Gondeln mit der Belastung zurecht?" deutete Kerrig Saghi eine Ausrede für einen etwaigen Verlust des Frachters an. Es machte der Halbbajoranerin Spaß, Captain Stone aufzuziehen.

   -- S.S. Hamburg, Brücke

"Keine Chance, meine Liebe! Glauben Sie wirklich, ich hätte meine Süße nicht diesbezüglich verstärkt, damit sie ja nicht zu schaden kommt? Und was soll das überhaupt heißen, ob ich sie mir mal von außen angesehen habe? Sie verringern unsere Geschwindigkeit, weil Sie nicht mithalten können, meine Damen und dann..., na, was jetzt wieder?"

Das Licht im Frachter war erneut ausgegangen, für die restlichen Passagiere dürfte das ja nichts neues mehr sein.

Doch Stone, gerade so gut in Fahrt, vergaß die Verbindung zu Kerrig und Alidar zu trennen, so das beide das folgende mitbekamen. "Aber, aber meine Süße, das geht doch nicht. Wo doch die zwei komischen Frauen so unschöne Dinge über dich sagen."

Mit sanfter, liebevoller Stimme sprach er auf sein Schiff ein, gerade so als währe es ein lahmer Gaul, dabei versetzte er der Konsole wieder ein paar aufmunternde Schläge.

"Geht doch! Darum kümmern wir uns noch, bevor wir zurück fliegen", rief er voller Freude, als sich der Frachter wieder zur Mitarbeit bereit erklärte und erinnerte sich im selben Augenblick, dass die Commverbindung noch offen war: "Ach, Sie sind ja auch da. Sehen Sie, meine Damen. So ist das in einer guten Beziehung, hin und wieder muss man den anderen ein wenig aufmuntern." Und in einem verschwörerischen Tonfall, als würde er ein riesiges Geheimnis verkünden fügte er noch hinzu: "Nun, vielleicht können Sie den Verlust des Sicherheitsmenschen erklären, doch ich habe hier auch noch so etwas wie einen Botschafter und einen Blumenverkäufer."

   -- "S.S. Hamburg", Aufenthaltsraum

Es war ruhig geworden nach dem Start, und so hatte Jhirrean das ihm zugeteilte Quartier verlassen, um sich im Schiff umzusehen. Und dann stieß er auf eine sehr appetitlich duftende Spur und war ihr schließlich bis zum Speiseraum gefolgt.

Als er eintrat sah er die Quelle des Duftes. Eine Madenart, ein Ferengi hatte sie sich mitgebracht, also handelte es sich vermutlich um Rohrmaden, sehr frisch, noch recht munter. Er hatte noch nie welche probiert, aber sein Geruchssinn sagte ihm, dass sie sicherlich mehr als genießbar waren. Aber er kannte auch Ferengi - sie gehörten zu jenen Spezies, die nicht nur alle Außenkontakte, sondern auch ihre Sozialstruktur auf die Basis von Rentabilitätswirtschaft unter maximaler Ressourcenausnutzung gestellt hatten. Es würde nicht leicht werden, von ihm Maden zu bekommen.

Er leckte sich kurz über die Augen um sie zu reinigen. Er warf noch den anderen Anwesenden einen kurzen Blick zu. Das war reine Gewohnheit, die er sich aus Höflichkeit angeeignet hatte. Er hatte längst, noch ehe er eingetreten war, an den unterschiedlichen Geruchssignaturen 'gesehen' wie viele Personen im Raum waren, auch welcher Spezies sie angehörten und welchen Geschlechts sie waren. Mangels Erfahrung konnte er nicht bei allen auch den Gesundheitszustand feststellen, aber mittlerweile hatte er ohnehin gelernt, dass das nicht zu interessieren hatte, weil alle anderen dies nicht wahrnahmen.

Und so warf er jedem einen Blick zu um ihnen vorzumachen, er habe sie erst jetzt bemerkt und ignorierte sie nicht, dann wandte er sich dem Ferengi zu. "Ich biete dirr einen Shhhchh'hachet*, gegen deine Rohrrmaden", und er zeigte dem Ferengi ein noch zappelndes Tier von der Größe einer Handfläche. "Ssehrr frissch und auch ssehrr bekömmlich, auch für deine Sspeziess."

[NRPG: *Shhhchh'hachet - am ehsten noch imer der Assel verwandter Gliederfüßer, etwa 16 cm lang und 8 cm breit, keilförmiger Körper, mit grünlich schimmernder Panzerung. Ihr ursprünglicher Lebensraum sind die Gewässer auf Thirr'ruul, manche Arten bewohnen jedoch auch die Landregionen. Sie stellen die Hauptbeute der Rha'hiera'khem dar.]

Der Ferengi musterte den Shhhchh'hachet von allen Seiten. Er sah seine Rohrmaden. Da wusste er genau, dass die Rohrmaden frisch waren. "Meine Rohrmaden sind von einer sehr guten Aufzuchtfarm auf Ferenginar. Sogar der beste Rohrmaden-Jahrgang." Er zeigte auf das Zerfikat, das auf dem Deckel angebracht war. "Woher kommen deine Shhhchh'hachet?"

"Na dann Mahlzeit!" sagte Matti Sola in Richtung des Ferengi und wandte sich dann wieder seinem Gegenüber zu. "Och wissen Sie, ich habe um Versetzung an einen Ort möglichst weit weg vom Kernterritorium der Föderation gebeten. Denn je weiter weg vom Kern, desto weiter weg von karrieregeilen Offizieren, die einem schwachsinnige Befehle erteilen. Von denen habe ich seit dem Dominionkrieg nämlich die Schnauze gestrichen voll. Und da ist Mamori genau der richtige Ort. Schön weit weg von den Karriereoffizieren; aber auch nicht so verlassen, dass man sich zu Tode langweilt. Ich hoffe, ich habe Sie damit jetzt nicht vor den Kopf gestoßen!"

Er war sich durchaus bewusst, dass sein Gegenüber ein Offizier sein musste, wenn er der stellvertretende Sicherheitschef sein sollte. Aber da sie beide in Zivil waren, war es Matti schlicht und ergreifend egal.

John bemerkt den Neuankömmling und beobachtete ihn interessiert. Er hatte bereits vieles gesehen, doch eine so außergewöhnliche Lebensform war ihm noch nicht begegnet. Als er zu ihnen sah, nickte Harris ihm kurz zu. 'Interessant, hoffentlich bekomme ich irgendwann die Gelegenheit mich mit dem zu unterhalten!'

Als Jhirrean'ka'Fhiom allerdings mit dem Ferengi über ihre Mahlzeiten zu diskutieren begann, wandte er sich wieder seinem neuen Kollegen zu. John wusste noch nicht so recht, was er eigentlich von ihm halten sollte. Die Aussage des jungen Mannes störte ihn keineswegs, sie waren nicht im Dienst. 'Aber das werden wir ja bald sein! Mal sehen wie weit er geht'.

Gelassen musterte John sein Gegenüber, an seinem Gesicht war nicht abzulesen, was in ihm vorging. "Nein, das haben Sie nicht. Solange Sie die Befehle dieses karrieregeilen Offiziers befolgen, habe ich kein Problem damit. Doch eins würde ich schon gerne wissen. Denken Sie wirklich, sie befinden sich in der Position zu entscheiden, welcher Befehl schwachsinnig ist und welcher nicht? Und dann was? Die Ihnen nicht gefallen zu verweigern?"

Herausfordernd hörte sich Harris an, und feinen Ohren dürfte auch der leise Spott nicht entgangen sein. 'Hoffentlich bin ich jetzt nicht zu weit gegangen. Doch scheint dieser junge Mann sich nicht so leicht einschüchtern zu lassen', überlegte John, während er auf eine Antwort Solas wartete.

"Woran ich einen schwachsinnigen Befehl erkenne?" fragte Matti zurück. "Ich war während des Dominionkrieges bei einem Sondereinsatzkommando des Sternenflottengeheimdienstes, und da lernt man gezwungenermaßen sinnvolle Befehle von schwachsinnigen zu unterscheiden. Über vieles aus der Zeit darf ich leider nicht sprechen. Aber sagen wir mal so, wir haben mit dem Dominion ziemlich üble Spiele gespielt, Sprengungen von Versorgungslagern, Anschläge auf Kommandoführer, wobei letztere meistens auf Cardassianer und Vorta abzielten. Glauben Sie mir, ich habe mehr als genug Erfahrung. Ich habe nur keinen Offiziersrang, da ich diesen abgelehnt habe. Verweigern werde ich einen Befehl nicht, aber ich werde mich nicht scheuen, einen vorgesetzten Offizier auf seine schwachsinnige Idee hinzuweisen und entsprechende Einträge ins Logbuch zu machen."

Dann fiel sein Blick auf das Wesen, das begonnen hatte, mit dem Ferengi um sein Mittagessen zu feilschen. Er hatte schon viel gesehen; aber dieser exotische Anblick nötigte ihn doch dazu, die Augenbrauen hochzuziehen.

John musterte sein Gegenüber eingehend. Das Gespräch bewegte sich in eine ernsthaftere Richtung als er es sich im Augenblick gewünscht hätte. Dieser junge Mann nahm kein Blatt vor den Mund, was nicht immer angebracht war, wie John fand. Äußerlich immer noch gelassen, beherrschte er es doch sehr gut seine Gefühle für sich zu behalten. 'Ganz schön arrogant dieser Junge!'

Seine Stimme wurde eine Spur kälter: "Für angemessene Kritik sollte jeder offen sein, da nehme ich mich nicht aus. Doch kommt es auf die Art an wie sie vorgebracht wird. Einen Offizier vor versammelter Mannschaft, wie man so sagt, zu kritisieren, dürfte Ihnen schlecht bekommen. Denn aus welchen Gründen auch immer, Sie sind keiner!"

Harris zögerte, warum er Solas Aussagen eigentlich sofort persönlich genommen hatte, vermochte er nicht zu sagen; war auch eigentlich nicht seine Art. Deutlich freundlicher fügte er hinzu: "Entweder habe ich vorhin nicht aufgepasst oder Sie haben es nicht erwähnt. Welchen Posten werden Sie antreten?" Dann lächelte er plötzlich: "Ich hatte eigentlich eine etwas unverfänglichere Unterhaltung im Sinn gehabt, so über das Wetter vielleicht! Jetzt klingt es fast nach einem Verhör!"

John ergriff seinen Becher und trank einen Schluck Kaffee. Dabei beobachtete Sola über den Rand des Bechers hinweg.

"Ich bin Sergeant Major bei den Marines der Vereinten Föderation der Planeten. Was das Runtermachen von Offizieren angeht, das mach ich gewöhnlich auch nicht vor versammelter Mannschaft, sondern nehm sie mir beiseite und klär das dann mit ihnen; außer der Befehl ist so haarsträubend, dass man sofort etwas unternehmen muss." Dabei zuckte Matti mit den Schultern und nahm einen Schluck aus seinem überdimensionierte Kaffeebecher. "Aber ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, mich großartig unterhalten zu müssen, jedenfalls nicht auf dem Flug nach Mamori." 'Angenehmer Kerl', dachte sich Matti und hakte den jungen Offizier ihm gegenüber als 'einigermaßen brauchbar' ab.

'Müßten wir nicht bald ankommen?' "Die Zusammenarbeit mit Ihnen dürfte interessant werden, Mr. Sola!" bekam Matti zur Antwort und der ironische Unterton in Harris' Stimme war nicht zu überhören. Dabei lächelte er allerdings. Dann erhob er sich: "Ich werde mich mal umziehen gehen. Es erscheint mir unangebracht dort in Zivil aufzutauchen."

Auf dem Weg zum Ausgang räumte John noch seinen Becher auf und trat dann auf den Gang hinaus. Er glaubte, von weiter vorn eine laute Stimme zu hören. 'Mit wem streitet der sich?' Kurzerhand entschloss er sich das Umziehen noch eine Weile zu verschieben und nach zu sehen, was dort vor sich ging.

Matti blickte dem Mann hinterher, der wohl sein zukünftiger Vorgesetzter war und trank seinen Kaffee aus. Dann machte er sich auf den Weg zu seinem Quartier, wo er sich erst mal erleichterte.

   -- S.S. Hamburg, Brücke

John konnte noch Stones letzte Worte, die er in den Kommunikator brüllte, vernehmen. "Stone?" fragte er: "Was geht hier vor?"

Dass die Verbindung weiterhin offen blieb und auch die beiden Piloten in den Peregrins ihn hören konnten, war ihm unwichtig.

"Ich unterhalte mich. Wonach hört sich das sonst für Sie an?" Stone musterte ihn, als hätte er noch nie eine so überflüssige Frage gestellt bekommen: "Was wollen Sie eigentlich schon wieder?"

John musste sich bemühen ruhig zu bleiben, er war wirklich froh, wenn er den nicht mehr sehen brauchte. "Verraten Sie mir, bitte, wie lange es noch dauern wird bis wir Mamori erreichen", erkundigte er sich so freundlich, wie er es diesem Mann gegenüber nur fertig brachte. "In 30 Minuten, und nun stören Sie mich nicht länger!" lautete die barsche Antwort.

John drehte sich um und verließ das Cockpit, dabei konnte er Stone erneut in den Kommunikator brüllen hören: "Nun, meine Damen, wollen Sie sich nicht endlich äußern, oder habe ich Sie schon verschreckt?"

John schüttelte den Kopf, den Kerl konnte er einfach nicht verstehen. Er ging nach hinten und tauschte seine privaten Sachen gegen die Uniform. Dabei beeilte er sich aber nicht, schließlich würde es noch eine Weile dauern, bis sie die Station erreichten.

   -- Eryri Gwyn

"Um uns zu verschrecken, müssen sie sich schon was Besseres einfallen lassen", erklärte Viqi amüsiert. "Ich fasse mal zusammen: Sie haben einen schrottreifen Frachter, der zwar schneller fliegen könnte als mein Jäger, aber immer wieder Aussetzer hat. Stimmt das in etwa?" fragte sie grinsend.

   -- S.S. Hamburg, Quartier Sola

Dadurch, dass Matti fast einen Liter Kaffee abgepumpt hatte, meldete sich seine Blase. Dann zog er seine Uniform an und überprüfte noch einmal, ob er auch alles in seinen Seesack gepackt hatte.

   -- S.S. Hamburg, Quartier Harris

Harris verstaute seine letzten Sachen, langsam wurde er nervös, wie immer wenn er einen neuen Posten antrat. Schließlich hatte er nur eine grobe Vorstellung von dem, was dort auf ihn zukam.

Er hob seine Tasche auf, sah sich ein letztes Mal kurz um, ob auch nichts vergessen wurde und trat dann auf den Gang hinaus. Sollte er zurück in den Aufenthaltsraum? Er entschied sich lieber nach vorne zu gehen. Stone schien sich mit den beiden Peregin-Piloten zu streiten, das dürfte ihn für eine Weile von seiner Nervosität ablenken. 'Obwohl sich ein Pilot der Station nicht auf so etwas einlassen sollte', ging ihm durch den Kopf.

Ohne große Eile legte er den Weg zum Cockpit zurück und konnte noch folgendes von Stone hören, so laut wie zuvor: "Was sagen Sie da? Sie sind die ersten, die ich von der Station treffe. Sie sollten mich höflich und zuvorkommend willkommen heißen! Damit ich einen guten Eindruck von Ihrer Station bekomme und Sie nicht alle für unzivilisierte Wilde halte!"

John grinste, unangebracht oder nicht, der Komik dieser Situation konnte auch er sich nicht entziehen. Behutsam stellte er seine Tasche neben sich auf den Boden, nicht weil er um deren Inhalt fürchtete, sondern damit ihn Stone auch weiterhin nicht bemerkte.

Der hatte allerdings anderes zu tun als sich um den Lieutenant zu kümmern. "Das habe ich wirklich nicht verdient, beleidigen mich, beleidigen mein stolzes Schiff, diese schrecklichen Frauen", klagte er mit weinerlicher Stimme: "Ich werde mich über Sie beschweren, ja genau das werde ich."

Hätten die zwei Pilotinnen ihn jetzt sehen können, der Mann strahlte über das ganze Gesicht. Dann bemerkte er allerdings John, wandte sich zu ihm um und ließ die Verbindung diesmal absichtlich offen: "Haben Sie das gehört, Lieutenant? Wie diese Damen mich behandeln? Ich verlange, dass Sie etwas unternehmen!"

"Davon mal abgesehen, dass Sie nicht in der Lage sind etwas zu verlangen, ich bin noch nicht im Dienst und so habe ich auch nichts gehört, und was ich gehört habe, war äußerst interessant. Außerdem sollten Sie damit doch allein fertig werden, zwei Frauen dürften Ihnen doch nicht das Wasser reichen können." John hörte sich amüsiert und spöttisch an und die Pilotinnen dürften jedes seiner Worte verstanden haben.

"Ach, tatsächlich?" stieg Shania aus der Luke zum Maschinenraum und warf John einen finsteren Blick zu. "Warum musst Du auch immer Passagiere auf die Brücke lassen, Daddy", meinte sie vorwurfsvoll zu dem Stone, der im Augenblick, jetzt während der Tagschicht, die Navigation innehatte.

Sie löste ihn nachts ab und kümmerte sich parallel dazu auch gern um die Technik. Obwohl sie noch minderjährig war, konnte sie durchaus bereits mit dem einen oder anderen Profitechniker mithalten. Dafür hatte sie ein Händchen - im Gegensatz zum Umgang mit Menschen, insbesondere mit diesen ewig lästigen Passagieren, die nutzlos im Weg herumstanden, aber sich ihre vermeintlich guten Ratschläge nicht sparen konnten.

"Der Phasenspulenkonverter ist schon wieder kollabiert", seufzte sie und reichte ihrem Vater eine frische Flasche Wasser, während sie den Hauptschirm musterte. "Werden die frech oder was?" fragte sie mit Blick auf die beiden Peregrins, die um die Hamburg herumschwirrten.

   -- Eryri Gwyn

Viqi konnte sich ein Lachen gerade noch verkneifen. "Tun Sie das ruhig. Beschweren Sie sich ruhig", meinte sie grinsend, froh, dass Stone das nicht sehen konnte. "Sie leben ganz schön gefährlich, Lieutenant. Sie meinten wohl eher, dass Stone uns nicht mal annähernd das Wasser reichen kann", meinte sie.

   -- Sompec

"Lieutenant Harris, Sie reden mit einer Khashtay und einer Klingonin. Wir beide sind Marines", erklärte Kerrig Saghi geduldig. "Wenn wir Ihnen Wasser reichen, und Sie wünschen es ohne CO² - dann brauchen wir es nur anzuknurren, und Ihr Wunsch ist erfüllt." Saghi fauchte spöttisch zur Kommunikationsaufnahme.

   -- S.S. Hamburg, Brücke

"Na, da bin ich aber beruhigt", sagte John trocken zu der Pilotin: "Ich brauche Ihnen also nicht beistehen und Sie schaffen das allein."

Er zuckte kurz mit den Schultern, wenn sich doch mehr Dinge so von allein lösen würden. Stones Tochter traf er zum ersten Mal, hatte sie bisher überhaupt nicht wahrgenommen und mochte sie auf Anhieb so wenig wie Ihren Vater. 'Wie der Vater so die Tochter, die kann wirklich nicht leugnen zu wem sie gehört.'

Von diesen Gedanken war ihm allerdings nicht anzumerken, als er sich an das Mädchen wandte und sie freundlich ansprach: "Ich bin John Harris, wir sind uns bisher noch nicht vorgestellt worden. Du bist also die rechte Hand des Captains?"

"Du bist also ein Passagier?" fragte sie zurück, seinen Tonfall als viel zu gönnerhaft ablehnend. "Shania Stone. Ich fliege sie nachts. Und ich repariere sie", stellte sie klar und musterte ihn mit blitzenden Augen. Immerhin war er anscheinend ein normaler Mensch, nicht so ein komisches tierartiges Monster, das hier auch noch irgendwo rumlungern sollte. Aber er war alt, fand sie. "Was tun Sie hier auf der Brücke?"

John musterte das Mädchen skeptisch und konnte sich trotz ihres Alters einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen: "Das Reparieren scheint ja nicht sonderlich gut zu funktionieren." Und etwas freundlicher fügte er hinzu: "Warum sollte ich nicht hier sein? Hier ist es doch interessanter als hinten." 'Außerdem kann ich gut darauf verzichten, mit ansehen zu müssen, wie die beiden dort ihr Essen verspeisen, falls es ihnen nicht schon davon gelaufen ist.' "Und es ist wirklich nett Deinem Vater bei seiner Unterhaltung zu belauschen."

Shania zog einen Schmollmund. "Aber SIE sind nicht nett", warf sie John an den Kopf und kehrte ihm den Rücken zu. Sie stiefelte zurück zu ihrem Vater und umschmeichelte dessen Nacken. "Soll ich ihn rauswerfen, Daddy? Bütte." Ihr Wimperngeklimper war regelrecht in ihrer Stimmlage zu erkennen.

Er blickte seine Tochter mit einem warmen Lächeln an: "Weißt Du, Süße, wir brauchen die Genehmigung an der Mamori andocken zu dürfen, stell Dir mal die Konsequenzen vor, wenn wir es uns mit dem Lieutenant verscherzen. Der bringt es glatt fertig und verwehrt es uns in Zukunft."

"Ihnen ist schon klar, dass ich Sie hören kann, oder?" fragte John trocken.

"Oh, das stört mich überhaupt nicht", bekam er prompt und nicht sonderlich freundlich zur Antwort.

Darauf wusste John nichts mehr zu sagen, sondern sah die beiden mit einem Kopfschütteln an. 'Sie sind wirklich ein seltsames Paar, wie der Vater so die Tochter, doch ob das in diesem Fall so gut ist wage ich zu bezweifeln.'

Seufzend klopfte Shania ihrem Vater auf die Schulter. Er war ein echter Dickkopf. Ein Steinkopf sozusagen... so hatte ihn ihre Mutter in solchen Momenten immer genannt. "Das wollen wir doch mal sehen", meinte sie und klemmte sich hinter die Kommunikationskonsole.

"S.S. Hamburg an die Peregrins, haben Sie das gehört? Sagen Sie, brauchen Sie unseren Passagier wirklich so dringend?" hauchte sie mit verführerischer Stimme ins Mikrofon. Ihre Stimme klang sehr viel erotischer als sie aussah. "Sie würden es doch sicher nicht zulassen, dass wir nicht an Mamori andocken dürfen?" Wozu sollte die Eskorte schließlich gut sein?

   -- Eryri Gwyn

"Ja, Ma´am, wir haben es gehört und Sie können sich Ihr Süßholzgeraspel sparen." antwortete Viqi barsch. "Ob Sie andocken dürfen oder nicht, interessiert mich ehrlich gesagt nicht. Mamori könnte ihre Passagiere auch rausbeamen und Sie könnten unverrichteter Dinge wieder abfliegen", erklärte sie nüchtern. "Diese Eskorte dient einzig dazu, Sie sicher nach Mamori zu geleiten und nicht, sich in Ihre internen Angelegenheiten zu mischen. Es ist allein Ihre Sache, ob Sie andocken dürfen oder nicht."

   -- S.S. Hamburg, Brücke

John grinste, die Pilotinnen waren richtig gut und dieser nette kleine Wortwechsel ließ ihn sogar seine Nervosität vergessen. 'Schade, dass mein neuer Kollege das hier versäumt, der würde sich sicher so gut amüsieren wie ich.'

"Ha", rief Stone triumphierend in den Kommunikator: "Damit haben Sie Ihre eigenen Worte als leere Drohung enttarnt. Davon einmal abgesehen, dass wir uns schon lange im Sensorenbereich der Station befinden, Sie könnten uns mit Ihren winzigen Schiffen also gar nicht abschießen! Alles nur Gerede, und sprechen Sie gefälligst freundlicher mit meiner Tochter."

John hielt sich im Moment lieber ein wenig zurück. Die beiden Pilotinnen hatten ja schon deutlich gemacht, dass sie keine Hilfe brauchten und die Stimmung war aufgeladen genug. 'Nicht das der Verrückte noch auf die Idee kommt, uns einfach hinaus zu werfen.' Zutrauen würde er es Stone sofort.

   -- Sompec

"Ihre Tochter täte gut daran nicht so süßlich in Comm-Kanäle zu schnurren", riet Saghi grinsend. "Wir möchten vermeiden, dass man sie auf der Station mit einem Schoßtier verwechselt."

   -- S.S. Hamburg, Brücke

Empört hieb Shania auf die Taste zur Beendigung der Kommunikation. "Aaaah! Miese Zimtzicken!" fluchte sie und stapfte wutentbrand an John vorbei Richtung Tür. "Ich geh dann, Daddy! Ich hau mich aufs Ohr. Lass Dir von diesen blöden Hühnern bloß nichts sagen! Und wehe die lassen uns nicht andocken! Dann können die was erleben, nicht, Dad? Gute Nacht!"


--- S.S. Hamburg, Quartier Sola

Matti hatte die normale Dienstuniform angezogen und die restliche Garderobe in seinem Seesack verstaut. Irgendwie war er auf der Reise doch nicht dazu kommen, das Buch fertig zu lesen, das ihm seine Schwester mitgegeben hatte. Es war ein über tausendseitiger Klassiker vom Anfang des 21. Jahrhunderts.

So schulterte er nun den alten Lederseesack und machte sich auf den Weg zur Brücke. Er wollte nachfragen, wann sie denn jetzt endlich auf Mamori ankommen würden. Auf dem Weg zur Brücke wurde er von einer jungen Frau, die er auf unter 20 schätzte, fast über den Haufen gerannt. Sie hatte einen hochroten Kopf.

   -- S.S. Hamburg, Brücke

Matti steckte den Kopf zur Tür herein und fragte: "Ist die Luft rein oder gibt es noch mehr so Wirbelwinde wie den, der mich gerade über den Haufen gerannt hat?"

John drehte sich grinsend zu Matti um: "Hallo Kollege! Wirbelwind ist wirklich gut. Schade das Sie das beste verpasst haben, hier ist ganz schön was los!"

Bevor Sola Gelegenheit zu einer Antwort bekam, wetterte Stone bereits los: "Noch so einer! Und Sie, Lieutenant, wie reden Sie von meiner Tochter. Und Sie, was wollen Sie eigentlich hier?" das galt zweifellos Matti: "Wollen Sie mir auch auf die Nerven fallen, mein stolzes Schiff beleidigen oder einfach nur meine Zeit stehlen? Und ein Marine sind Sie auch noch! Womit habe ich das nur verdient?" Stone brüllte derart, dass er langsam rot wurde.

"Na, habe ich zu viel versprochen?" fragte John gut gelaunt: "Hier wird einem doch wirklich etwas geboten!"

"Marines haben einfach kein Benehmen! Und Sie sind tatsächlich noch schlimmer als die beiden komischen Pilotinnen! Wie können Sie es überhaupt wagen, so mit mir zu reden?" zeterte der Alte fröhlich weiter.

Um ein Haar hätte John die Beherrschung verloren und laut zu lachen angefangen. Das konnte er nur verhindern in dem er sich schnell auf die Innenseite seiner Wange biss. Doch ein Grinsen konnte er leider nicht verhindern, was Stone sofort auf ihn los gehen ließ:

"Sie wagen es auch noch mich auszulachen, Lieutenant? Reden Sie lieber Ihrem Untergebenen ins Gewissen, das er nicht so mit einem armen, alten, gebrechlichen Mann reden darf."

John hatte sich nun wieder unter Kontrolle und antwortete toternst: "Es tut mir wirklich leid, doch ich sagte ja vorhin schon, ich bin nicht im Dienst. Ich kann Mr. Sola überhaupt keine Befehle erteilen, selbst dann nicht, wenn ich wollte, was übrigens nicht der Fall ist."

Er musterte den Alten aufmerksam, der schien wirklich seinen Spaß zu haben und ein recht guter Schauspieler war er wohl auch. "Das müssen Sie schon alleine regeln, Mr. Stone", fügte er noch hinzu.

Außerdem bekam er so auch die Möglichkeit etwas mehr über Solas Charakter heraus zu finden, schließlich war dieser Captain schon ziemlich anstrengend und stellte die eigenen Geduld auf eine harte Probe. Und so wie John bisher Marines kennen gelernt hatte, war Geduld nicht gerade deren Stärke.

"Sie unternehmen also nichts?" erkundigte sich Stone.

John schüttelte nurden Kopf.

"Gut, dann tue ich das eben selbst!" sagte er giftig zu Harris und konzentrierte sich dann erneut auf Matti, in gewohnter Lautstärke, was eigentlich wohl nicht mehr extra erwähnt werden muss: "Sie, wenn Sie etwas von mir wissen wollen, reden Sie mich gefälligst höflich an und bitten mich um eine Auskunft. Das hat sogar der Lieutenant gelernt.Wenn Sie mein stolzes Schiff oder meine wundervolle Tochter beleidigen, werfe ich Sie raus. Und wenn ich raus sage, meine ich aus meinem Schiff. Haben Sie das verstanden, Sie unmöglicher Mensch?"

"Ach, das war die werte Frau Tochter! Das erklärt natürlich das Wirbelwindverhalten!" Dann richtete sich Matti auf und begann mit völlig ausdrucksloser und ruhiger Stimme zu sprechen: "Oh Herr Kapitän, wann werden wir denn nun die Station Mamori erreichen? Denn ich fühle mich genötigt, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich Ihren Seelenverkäufer baldmöglichst verlassen möchte; denn Ihr Steuerbordimpulsantrieb wird Ihnen in nicht allzu ferner Zukunft mit einem lauten Knall um die Ohren fliegen und da möchte ich nicht dabei sein." Matti blieb völlig regungslos und gelassen stehen, dabei verschränkte er die Hände hinter dem Rücken.

   -- S.S. Hamburg, Quartier Shania Stone

Mit pochendem Herzen trat Shania aus der Schalldusche. Nicht nur, dass sie sich aufgeregt hatte über diesen ollen Sternenflotter und sich peinlich lächerlich gemacht hatte vor den beiden Gewitterziegen von Pilotinnen - wer konnte auch ahnen, dass diese beiden Kampfgeschosse ausgerechnet von zwei Weibern geflogen wurden! - nein, damit nicht genug. Als sie von der Brücke gestürmt war hatte sie fast einen Mann über den Haufen gerannt! Und DIESER Mann war zu allem Überfluss auch noch attraktiv gewesen. Und sie ihn angerempelt! Und natürlich prompt eine knallrote Birne bekommen! Peinlicher ging es wohl nicht mehr! Wie sollte sie sich jemals wieder raus aus ihrem Zimmer trauen?

Und dabei wollte sie unbedingt raus. Das kam ja noch hinzu. Gerade hatte sie noch vollmundig ankündigt, schlafen zu wollen, was ihr ja nach der Nachtschicht auch kaum zu verdenken war, und hatte dabei vollkommen vergessen, dass sie schließlich gleich landeten. Auf einer Raumstation, sogar auf einer niegelnagelneuen Raumstation, auf der sie noch nie gewesen war! Das war aufregend, den Landurlaub würde sie sich auf keinen Fall entgehen lassen!

Das wäre allein schon aufregend genug, und auf jeden Fall Grund genug, sich ordentlich in Schale zu schmeißen. Viel zu selten kam sie von diesem langweiligen Kahn runter, und noch viel seltener sah sie mal andere Gesichter als ihren Vater und die wenigen Angestellten. Da musste sie jede Gelegenheit nutzen, die sich ihr bot. Mamori war schon eine solche Gelegenheit, aber offenbar hatte sie noch eine andere, viel bessere Gelegenheit völlig verpasst! Den jungen Mann, in den sie rein gerannt war, DEN hätte sie mal unterwegs kennen lernen sollen! Der war tagelang an Bord gewesen - und sie hatte ihn gar nicht gesehen! Was für ein Mist!

'Grüne Augen', schwärmte sie versonnen, 'und braune Haut und schwarze Haare! Genau mein Typ! Ach mein Liebster, wo hattest Du Dich nur versteckt?'

Nun, er würde auch Mamori betreten. Vielleicht war noch nicht alles zu spät. Sie... musste ihn unbedingt wieder sehen. Ihn begleiten vielleicht! Nur, wie sollte sie das anstellen? Sie schwang sich in ihre Unterwäsche und durchwühlte unentschlossen ihren Kleiderschrank.

Plötzlich fand sie ihn: den neuen Minirock, den sie vor kurzem auf Deep Space 5 besorgt hatte. Den hatte sie noch nie getragen - natürlich nicht, bei der Arbeit machte so ein Ding nun wirklich keinen Sinn. Aufgeregt probierte sie ihn an und drehte sich vor der Spiegeltür. Mann, der sah echt scharf aus! Ultrakurz, so kurz dass er fast gar kein Rock mehr war - wenn sie sich bückte, sah man ihren Slip. Sie bückte sich probehalber und musterte verdreht ihre Rückenansicht. Okay, der knappe rosafarbene Slip war in Ordnung.

Und ihre Beine auch. Tatsächlich, dieser Rock machte echt superlange Beine, und das stand ihr ausgezeichnet. Im Gegensatz zu ihrem Gesicht, an dem sie mit ihrer zu langen Nase haderte und ihre zu eng stehenden Augen verwünschte, gab es an ihren Beinen nicht das geringste auszusetzen. Lang, schlank und glatt, sanft geschwungen - so mussten Beine aussehen.

Nach einigem Hin- und Herprobieren zog sie schließlich eine kleine weiße Bluse dazu an, taillenlang und mit kleinen Puffärmelchen, und dazu schwarze Pumps. Nervös lachte sie auf, als sie sich so im Spiegel musterte. Der Typ würde Augen machen! Hoffentlich! Oh bitte, hoffentlich!

Rasch schminkte sie sich und bürstete ihre mittellangen Haare brav glatt. Ein Armreif noch, ihren goldenen Lieblingsarmreif... "Fertig", sprach sie zu ihrem Spiegelbild, "aber was zum Teufel soll ich bloß zu ihm sagen?"

Und wie zum Teufel sollte sie ihm bloß unter die Augen treten? Mit welcher Begründung denn? Sie brauchte irgendeine Ausrede, irgend etwas... einen Grund, noch mal die Brücke zu betreten, denn da war er ja hingegangen... Ausgerechnet, genau zu ihrem Dad. Was der wohl zu ihrem Aufzug sagen würde? Sie hatte nicht die geringste Ahnung...

Während sie ihr Hirn zermarterte, stöckelte sie auf die Brücke zu. Ihr war schlecht vor lauter Aufregung. Was würde er sagen? Würde sie ihm gefallen? 'Bitte lieber Gott, mach, dass ich ihm gefalle', flehte sie innerlich.

Sie stand vor der Brücke, und noch immer war ihr nichts eingefallen, was sie zu dem schönen Mann hätte sagen können. Zischend öffnete sich die Tür. Verdammt, zu früh! Einen Augenblick spiegelte sich die blanke Panik in ihren Augen, dann ging sie rasch auf ihren Vater zu. Oh mein Gott, da stand er, der schöne junge Mann, mitten auf der Brücke! Sie brachte es nicht fertig ihn auch nur anzusehen und umarmte rasch ihren Vater von hinten. "Daddy! Wir landen ja gleich! Das... da kann ich... ich meine, da ist Schlafen natürlich Quatsch, da..."

Matti war genau so verdutzt, wie der Käpt'n wahrscheinlich. Er sagte allerdings nichts, sondern musterte die junge Frau mit den Augen ohne sich etwas anmerken zu lassen. Er fand es sehr unpassend, ihr jetzt ein Kompliment zu machen, da er befürchtete, dass dem Alten dann endgültig das Überdruckventil aus dem Kopf fliegen würde. Er nahm sich aber vor, ihr eine private Nachricht zukommen zu lassen, sobald er die Brücke verlassen hatte. Die Tochter des Kapitäns, davon konnte es auf diesem Schiff ja nicht so viele geben.

"Großer Gott!" fassungslos starrte Stone seine Tochter an, setzte an etwas zu sagen, doch brachte er keinen Ton heraus, schloss den Mund wieder, wurde kreidebleich.

'Erinnert an einen Fisch der auf dem Trocknen liegt und nach Luft schnappt', ging es John durch den Kopf. 'Wie lange es wohl dauern wird, bis er seine Sprache wieder findet?'

Leider nicht sehr lange. Doch falls jemand mit einem weiteren Wutausbruch gerechnet hatte, sah er sich getäuscht.

Auch John rechnete mit einem solchen oder schlimmerem. Er spannte sich, bereit dazwischen zu gehen, sollte Stone handgreiflich gegen seine Tochter werden. Dem traute er nämlich mittlerweile alles zu.

Doch es passierte nichts dergleichen. Der Alte musterte das Mädchen einige Augenblicke, schüttelte dann betrübt den Kopf und als er das Wort an sie richtete, hörte er sich nur traurig und verletzt an: "In diesen 17 Jahren deines Lebens war ich jeden Tag stolz auf dich. Und jetzt sieh dich nur an. Sie dich nur an, Mädchen. Und den Grund für deinen Aufzug kenne ich auch. Das erste Mal, das ich mich für meine eigene Tochter schämen muss."

Der Kapitän schwieg einen Moment, löste kurz den Blick von seiner Tochter und blickte die beiden Männer an, um dann an Sola hängen zu bleiben: "Ihr Blick ist mir nicht entgangen, Mr. Sola. Vergessen Sie nicht, sie ist erst 17, also fast noch ein Kind. Und jetzt möchte ich Sie beide bitten mich und meine Tochter allein zu lassen."

"Los!" raunte John Matti zu und bugsierte ihn, ziemlich grob, zur Tür hinaus. Er wollte ihm keine Gelegenheit geben, irgendwelche Einwände zu erheben. Ihre Sachen waren im Moment unwichtig, die konnten sie später immer noch holen. Dann schloss sich die Tür hinter ihnen und sie waren allein auf dem Gang. John konnte es nicht ändern, der Alte tat ihm leid.

"Daddy, ich bin fast erwachsen!" empörte sich Shania mit rotem Kopf und Tränen erfüllten Augen. "Du wirst Dich daran gewöhnen müssen, dass ich KEIN Kind mehr bin und vielleicht mal einem Mann gefalle!"

Sie wusste kaum wohin mit ihrer ganzen Wut und ihrem Frust. Am liebsten hätte sie ihren Vater geschüttelt und ihm Verständnis eingeprügelt. Gleichzeitig traf es sie sehr tief, dass er tatsächlich gesagt hatte, er müsse sich für sie schämen. Was für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit!

"Du denkst wirklich, Du bist erwachsen? Glaubst Du wirklich, dann würdest Du in solch einem Aufzug hier auftauchen, wegen einem Kerl?" Noch immer sprach er sehr ruhig und betrachtete seine Tochter voller Bedauern. "Weißt Du", sprach er weiter: "Dass Du Dich so anziehst, um einem Kerl schöne Augen zu machen, zeigt mir deutlich, dass Du alles andere als erwachsen bist."

   -- S.S. Hamburg, vor der Brücke

Matti schüttelte den Kopf als sie vor der Brücke standen. "Oh, oh, da drin ist jetzt ein mittelprächtiger Familienkrach angesagt! Wenn Sie mich entschuldigen würden, ich habe noch etwas in meinem Quartier vergessen." Er machte sich auf zu seinem Quartier.

John blickte Sola verdutzt hinter her, hatte nicht damit gerechnet einfach so stehen gelassen zu werden. Er wollte unbedingt noch mit ihm über die Angelegenheit sprechen, schließlich war er nicht blind und er hatte durchaus bemerkt, dass Sola das Mädchen mit den Augen regelrecht ausgezogen hatte.

   -- S.S. Hamburg, Quartier Sola

Dort angekommen setzte Matti sich an das kleine Computerterminal und diktierte zwei Nachrichten: eine für Stone senior, in der er einen Reparaturtipp für das Impulstriebwerk abgab und wie sich das Problem in Zukunft dauerhaft vermieden ließ. Die zweite Nachricht war für die Tochter des Kapitäns bestimmt, deren Inhalt stellenweise doch etwas persönlicher war, als Matti beabsichtigt hatte.

Nachdem er die Nachrichten abgeschickt hatte, machte er sich auf den Weg zur Luftschleuse.

   -- S.S. Hamburg, Gänge

John atmete tief durch und folgte dem anderen. Konnte ihn aber zuerst nicht finden und traf ihn schließlich auf dem Weg zur Luftschleuse.

"Sergeant Major", sprach er Matti an und seine Haltung und sein Tonfall ließen keinen Zweifel daran, dass er sich als Solas Vorgesetzter an ihn wandte: "Sie sind verschwunden, bevor ich die Gelegenheit bekommen habe, Ihnen noch etwas mit auf den Weg zu geben. Und wenn ich Sie richtig einschätze, haben Sie bereits an dieses Kind geschrieben. Denn genau das ist sie, ein 17jähriges Kind und ich hoffe, Sie haben genug Anstand um das nicht zu vergessen."

John sah Sola direkt in die Augen, hoffte er würde nicht noch deutlicher werden müssen. Dass Sola merken würde, wie ernst ihm diese Sache war und man ihn, trotz seiner lockeren Art, lieber nicht unterschätzen sollte.

Auch Matti nahm Haltung an und sagte: "Was meinen Blick angeht, da haben Sie leider recht. Allerdings wusste ich da noch nicht, dass das Mädchen erst 17 ist. Und was meinen Brief angeht, da machen Sie sich mal keine Sorgen. Er enthält keinerlei unschickliche Bemerkungen. Wäre das dann alles, Lieutenant Harris, oder haben Sie noch etwas zu beanstanden?" 'Typisch Vorgesetzter, kaum kriegen sie was vom Privatleben mit, schieben sie Panik!' Er verbarg diesen Gedanken jedoch hinter einem unbeweglichen Gesicht.


--- SB Mamori, OPS

"Mamori OPS an S.S. Hamburg", öffnete Wrad Kaan einen Comm-Kanal und lächelte freundlich in die Kamera, gespannt das Bild musternd, das sich ihm auf seinem Bildschirm bot. "Willkommen auf Starbase Mamori. Bitte docken Sie an Schleuse 2 an."

   -- S.S. Hamburg, Brücke

Bevor Stone darauf reagierte, wandte er sich erneut an seine Tochter: "Das Thema ist beendet, ich habe keine Zeit mehr. Geh Dich umziehen. Ob Du mit auf die Station darfst oder nicht, kann ich im Moment noch nicht sagen. Das entscheide ich, nachdem wir angedockt haben."

Damit drehte er sich zu dem Bildschirm und gab seiner Tochter zu verstehen, dass ihre Unterhaltung beendet war. Sie sollte ihn gut genug kennen, um zu wissen, dass es nichts bringen würde, jetzt noch weiter auf ihn einzureden. "Hier Captain Stone von der S. S. Hamburg, vielen Dank, für Ihren freundlichen Empfang. Schleuse zwei also, kein Problem."

Dann schloss er den Kanal wieder, ohne Wrad Kaan noch etwas sagen zu lassen und öffnete sogleich einen weiteren, um seinen Passagieren mitzuteilen, dass sie angekommen waren: "Wir werden in Kürze an die Station andocken, suchen Sie Ihre Sachen zusammen. Sollten Sie etwas vergessen, würde ich das bedauern, doch Ihnen nicht hinterher tragen. Und Mr. Harris, Mr. Sola, Ihr Gepäck ist noch auf meiner Brücke!"

Damit schloss er den Kanal wieder und bereitet alles für das Andockmanöver vor. War die Fahrt auch nicht immer angenehm gewesen, das Andocken funktionierte problemlos. Selten war er so erleichtert gewesen, eine Reise hinter sich zu haben. Und richtig froh würde er erst sein, wenn er und seine Tochter die Station wieder verlassen konnten.

"Daddy!" rief Shania unter Tränen aus und stürmte empört von der Brücke. Wenn die Türen sich nicht ruhig wie immer schließen würden, hätte sie sie laut geknallt.

   -- S.S. Hamburg, Quartier Shania Stone

In ihrem Quartier warf sie sich aufs Bett und schluchzte laut.


--- SB Mamori, Frachtraum 2

Mittlerweile war Vurtuss in einen größeren Frachtraum transportiert worden, sorgfältig durch ein starkes Kraftfeld bewacht. Sicherheitschef Anderson schaute regelmäßig nach dem Rechten, obwohl er Leute seiner Abteilung vor Ort hatte. Vurtuss' Körper hatte sich weiter entwickelt und wieder teilweise zurückgebildet. Es hatte den Anschein, als ob der Körper etwas Bestimmtes machen wollte, aber vom Geist immer wieder, wenn auch nur teilweise, zurück gezwungen wurde.

Er kämpfte seit einer Stunde auch wieder mit Deliriumszuständen, in denen seltsame Wesen mit Tentakeln schemenhaft auftauchten.

Vurtuss interpretierte in klaren Momenten diese wagen Bilder als Produktion seines Unterbewusstseins, dass ihm in dieser Situation etwas Dringendes mitteilen wollte aber gezwungen wurde, diese Mitteilung zurückzuhalten.

Man hätte meinen können sein Unterbewusstsein brauche einen Schlüssel, um die geistigen Fesseln zu lösen.

Am Rande bemerkte er, dass sich seine Umgebung mit einem Flimmereffekt verändert hatte - er lag nun am Boden eines der Frachträume - ganz alleine.


--- SB Mamori, Krankenstation

Sara Ginelli betrat die Krankenstation mit dem kelvanischen Datenkristall in der Hand und wandte sich gleich an Dr. Nasmat al Misri: "Hallo, wie geht es unserem Kelvaner? Ich könnte wirklich gut seine Hilfe gebrauchen."

"Gar nicht gut", seuftze die Chefärztin und aktivierte mal wieder das MHN. "Das MHN behandelt Vurtuss", verwies sie die Holoärztin an die Wissenschaftlerin.

"Ich... schätze es braucht einen Kelvaner, um diese Daten zu entschlüsseln", erklärte Sara dem MHN.

Das warf einen interessierten Blick auf den Kristall. "Mehr Daten über Kelvaner wären notwendig, um den Patienten zu behandeln. Er wandelt sich und wächst, aber er scheint kein Ende zu finden. Es geht ihm gar nicht gut, aber ich bezweifle, dass er in der Lage ist, Ihnen zu helfen. Er ist nur selten bei klarem Bewusstsein."

Sara schluckte. "Das klingt nicht gut. Aber wenn Sie sonst keinerlei Behandlungsmöglichkeiten haben... ich weiß genau, hierauf sind Daten, und es muss eine Art biologischen Entschlüsselungsauslöser geben."

Sie wandte sich an al Misri als der Abteilungsleiterin. "Ma'am, ich bitte um Erlaubnis, den Patienten mit diesem Kristall zu konfrontieren."

Nasmat al Misri überlegte einen Moment, dann nickte sie. "Einen Versuch ist es wert." Sie blickte zum MHN. "Tun Sie es."

"Aye", bestätigte das Hologramm.

"Warten Sie, ich komme mit", versicherte Sara rasch und schlug den Weg zum OP 1 ein.

"Negativ, zu gefährlich", widersprach das MHN. "Der Patient ist aggressiv und gefährlich. Ich informiere Sie sofort über etwaige Reaktionen. Warten Sie hier."

"Dann warte ich vor der Tür", meinte Sara hartnäckig.

"Der Patient ist in Frachtraum 2", erklärte das MHN kurz, bevor es sich in Luft auflöste und sich zum Patienten transferierte.

"Viel Glück, und halten Sie mich auf dem Laufenden", bat Nasmat die Wissenschaftlerin. Die nickte und verließ rasch die Krankenstation.


--- SB Mamori, Frachtraum 2

Vurtuss bekam immer mehr Eindrücke seiner Umgebung vermittelt, die er aber nicht zu koordinieren verstand. Die Eindrücke überlagerten sich gegenseitig und nur sehr selten kam ein klares Bild dabei raus.

Auf einmal "sah" er eine junge Frau, die gewisse Erinnerungen in ihm weckte, da bekam er auf einmal einen klaren Gedanken und ein klares Bild. Das war die nette junge Dame, die sich um ihn und den Kristall kümmern wollte. Sie kam um ihn zumindest zu besuchen, was ihn freute.

Als er mitbekam, wie dieses technologische Produkt Sara abwies, wurde er wütend und fing erneut an zu toben.

Das MHN materialisierte mit dem kelvanischen Datenkristall in der Hand. "Hier habe ich etwas für Sie, sehen Sie mal", sagte es und hielt Vurtuss den Kristall hin.

Vurtuss schaute das MHN nicht an, da er nun sehr böse auf selbiges war, weil es Sara von ihm fern gehalten hatte. Trotzdem spürte er eine Anziehungskraft aus der Richtung, wo das MHN stand.

Nach ein paar Augenblicken konnte er der Kraft nicht mehr widerstehen und schaute zum MHN. In dem Moment sprengte sich wieder ein Tentakel förmlich aus seinem Körper und schnellte auf das Ding zu, das das MHN in Händen hielt.

Die Holoärtzin blieb computermäßig cool, trat aber einen Schritt zurück, als der Tentakel auf sie zuschoss. Sie verfolgte, wie der Tentakel quasi in den Kristall hinein glitt.

Merkwürdig, vorher hatte sie diese Öffnung gar nicht bemerkt, da war eine Öffnung gewesen? Oder hatte die sich soeben erst geöffnet? Jedenfalls steckte der Kristall nun auf dem Tentakel und begann plötzlich zu glimmen.


--- Planet Minory Prime, Yokoy-Arena, 10:30 Uhr Ortszeit (15:51 Erdzeit)

"Hallo! Hier ist live aus Yokoy in der Yokoy-Arena Nomo Namhin von MPFK-1", begrüßte der Sportreporter die Zuschauer an den Bildschirmen überschwenglich freundlich, die gespannt auf das erste Punchball-Spiel der 'Nord-Liga-Meisterschaft' warteten.

"'Yokoy WhiteWings' gegen 'Minory SuperStars'. Zwei der wohl stärksten Mannschaften der Liga treffen jetzt schon aufeinander und nicht erst, wie von vielen Fans erhofft und erwartet, im Finale um die 'Punchball-Weltmeisterschaft'. Mein Co-Kommentator Nasi Goreng ist heute nicht vor Ort. Außenpolitische Ereignisse sorgten dafür, dass er in der Hauptstadt Minoras zurückblieb. Wir haben für Sie Live-Schaltungen vorbereitet. Sobald sich etwas vor dem Regierungsgebäude tut, schalten wir direkt zu Nasi Goreng. Wir haben Coach Labbek vor etwa zwanzig Minuten zu diesem Ereignis befragt. Aufzeichnung ab."

Das Bild änderte sich. Coach Labbek war zu sehen, der eine Bierdose in der rechten Hand hielt und von Nomo befragt wurde. "Coach Labbek. Oh große Lebende Legende von Minory Prime. Ich bedanke mich im Namen des Senders MPFK-1, dass ich Ihnen ein paar Fragen stellen darf."

Ein Röpser entfleuchte dem Coach aus dem Munde. Eine Lebende Legende durfte sich unanständig in der Öffentlichkeit benehmen. "Ja, ja, ja. Sabber keinen Dünnschiß. Frag schon", brummte Labbek und nahm einen kräftigen Schluck aus der Dose.

Nomo kam zur Sache und stellte die erste und möglicherweise auch die letzte Frage. Das konnte man beim Coach nie genau wissen, wann er ein Interview wegen Mangel an flüssig Nahrung (Bier) abbrach. "Oh großer Coach Labbek. Was halten Sie von den außenpolitischen Ereignissen, die uns in den letzten Stunden so beschäftigt haben?"

Ein weiterer Röpser entfleuchte dem Coach aus dem Munde und er antwortete: "Sarkassianer sind alle gleich. Sie machen nur Ärger. Wenn die mutig sind und was auf die Fresse wollen, dann sollen sie zu mir kommen." Der Coach zerdrückte die Bierdose mit einer Hand. "Ich... haben Sie was zu trinken? - Nein. Dann ist das Interview hiermit beendet."


--- Minorytanische Boschafteryacht, im Anflug auf Starbase Mamori

Stumm und aufgeregt starrte Doran Oscheewa durch das Fenster ins All. Die Raumstation war schon zu sehen und füllte zusehends das Format. 'Meine neue Heimat?' fragte er sich von Zweifeln geplagt. Sie sah beeindruckend aus, aber einladend? Nein, nicht wirklich. Sehr fremdartig. Sehr technisch. Sehr kalt und sehr groß. Und sehr wehrhaft. Nun, nach einem sicheren Ort sah sie zumindest aus.

Der Schock über den Anruf von der Botschaft steckte ihm noch in den Knochen, der ihn erreicht hatte, kaum dass er nach Hause gekommen war. Also SO schnell konnte er beim besten Willen keinen Geschäftsplan aufstellen. So schnell konnte er sich nicht mal im Detail damit befassen, was genau er dafür alles benötigte. Er hatte gerade mal nachgelesen, dass es so etwas gab, und sein Augenmerk darauf gerichtet, ob er das prinzipiell überhaupt leisten konnte. Und gedacht, es würde eine Menge Arbeit werden, aber er würde sich schon irgendwie reinfuchsen.

Und nun saß er hier, in einem komfortablen, geradezu luxuriösen Raumschiff, und flog zur Raumstation. Er war noch nie irgendwohin geflogen, erst recht nicht ins Weltall!

Aber es war nicht der Flug, der ihm Angst einjagte - den hatte er sich viel schlimmer vorgestellt. Nicht im Traum hätte er mit diesem Komfort gerechnet. Sondern es waren die Sorgen vor der Zukunft, die bohrende Ungewissheit, gepaart mit dem schwer zu ertragenden Gefühl einer völlig mangelhaften Vorbereitung. Er hatte keinen Plan, und er hatte kein Geld, und er hatte nicht die geringste Ahnung, wie zum Geier er ein Restaurant auf der Raumstation eröffnen sollte. 'Will ich das überhaupt?' fragte er sich und lehnte seine Stirn gegen die kühle Scheibe. Das war sehr wohltuend. Und siehe da, ja, das wollte er, dessen war er sich sicher. Das war ja immerhin schon mal etwas. 'Oh Jokus, steh mir bei!' versuchte er sich Mut zu machen. Immerhin, der Glücksgott war mit den Mutigen, dann würde er ihm sicher wohl gesonnen sein.


--- Planet Saxon, Haus der Familie Pihto (Ortszeit 14:15 Uhr ZSZ)

Mit leeren Augen blickte Azara auf den nun leeren Bildschirm, der noch vor wenigen Sekunden das Leiden ihrer jüngeren Halbschwester gezeigt hatte. In ihrem Kopf wirbelten so viele Gedanken durcheinander.

"Was willst du tun?" fragte ihre Stiefmutter ihren Vater.

"Ich weiß es nicht. Es ist schon so lange her. Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen", sagte dieser müde.

Azara sprang auf und blickte ihren Vater mit blitzenden Augen an. "Dir durch den Kopf gehen lassen? Du willst dir ernsthaft durch den Kopf gehen lassen, dich mit diesen Kreaturen einzulassen? Willst du, dass sie denken, du hättest kein Rückgrat? Soll Mighan dafür gestorben sein?" giftete sie ihren Vater an.

"Es reicht, Azara. Vergiss deine Stellung hier nicht", wies Kaia, ihre Stiefmutter, sie zurecht.

Azara kniff die Lippen zusammen und blickte ihren Vater angriffslustig an. "Hast du nichts zu sagen?" fragte sie ihn.

"Kaia hat recht. Du gehst auf der Stelle auf dein Zimmer."

"Ich bin kein Kind mehr", protestierte Azara.

"Du bist gerade 18 geworden. Also noch ein Kind, nach dem Gesetz. Also Marsch auf dein Zimmer", sagte ihr Vater und wurde immer lauter.

Wütend mit lautem Türgeknall stürmte Azara in ihr Zimmer.

Als Azara auf ihr Zimmer gegangen war, änderte sich Kaias Ton. Sie hatte die Integrität ihres Mannes verteidigt, aber nun musste sie sich ihn einfach vornehmen. "Jungs, lasst uns bitte allein!" meinte sie scharf.

Mit trübem Blick sah Wayry Pihto zu seiner Frau.

"Was wirst du tun Wayry? Wie willst du uns beschützen? Uns alle, dich eingeschlossen!"

"Ich weiß es nicht... ich kann es nicht...", murmelte Wayry.

"Was meinst du damit? Wieso können wir nicht einfach die Polizei informieren? Uns endlich wehren!" begehrte Kaia auf.

"Weil diese Leute die Polizei sind! Diese Leute kann man auch nicht verfolgen, weil sie datentechnisch nicht existieren! Sie sind wie Geister!" erwiderte Wayry resignierend.

"Dann lass uns fliehen! Sie können nicht überall auf uns warten, uns nicht überall hin verfolgen!" rief Kaia.

"Sie sind überall und können uns verfolgen", zerstreute Wayry ihre Hoffnungen.

   --- Familie Pitho, Azaras Zimmer

Auch auf ihrem Zimmer konnte Azara die Stimmen ihres Vaters und Kaias hören. Verstehen konnte sie nichts, doch anhand der Stimmen konnte sie registrieren, dass Kaia ängstlich war und ihr Vater einfach nur verzweifelt.

"Erst so einen Scheiß machen und dann keinen Schneid haben sich zu wehren", schimpfte Azara.

Plötzlich ging ihre Türe auf und Ronay, der ältere ihrer beiden Brüder, stand in der Türe.

"Was willst du?" fauchte Azara ihn an.

"Du solltest dich etwas mehr benehmen. Es war nicht recht von dir Vater so anzugreifen", ereiferte er sich. Trotz seiner 16 Jahre war er hoch gewachsen und Azara musste ein wenig zu ihm aufschauen.

"Ach nein? Ich buckele nicht so vor ihnen wie du. Er hat versagt, jämmerlich versagt und nun hat er nicht den Schneid, die Gefahr von uns abzuwenden", giftete sie zurück.

"Man merkt, dass Kaia nicht deine Mutter ist. Dir fehlt ihre noble Zurückhaltung", meinte Ronay feierlich und richtete sich auf.

"Ach, du nennst ihre Feigheit Zurückhaltung. Nein, mein Lieber. Da hab ich dann doch lieber das Temperament meiner Mutter", sagte Azara mit zusammengebissenen Zähnen, denn Ronay hatte ihren schwachen Punkt getroffen.

Nun stand sie da, bereit sich mit ihm zu prügeln. Sie war oft genug von zu Hause abgehauen und hatte sich mit den Kindern auf der Straße herumgetrieben und sich mit ihnen im Kampf gemessen. Mittlerweile konnte sie sehr gut mit ihnen mithalten und sich wehren. Herausfordernd blickte sie Ronay an.

"Das ist wieder so typisch für dich!" knurrte Ronay seine Halbschwester an. "Alles willst du besser wissen, ständig machst du irgend jemandem Vorhaltungen, immer bist mindestens einem von uns feindselig gegenüber! Du unzufriedenes Mistvieh! Sie hätten dich statt Mighan mitnehmen sollen!" zischte er. Azaras kampfbereite Haltung entging ihm nicht. Auch wenn Ronay sie nicht als Schwester im eigentlichen Sinn betrachtete, so hatte er bis jetzt ihr höheres Alter ein wenig respektiert. Aber wenn sie einen Kampf wollte, konnte sie ihn haben!

"Weil ihr manchmal echt dämlich seid", schoss Azara zurück. "Es ist kaum zu glauben, dass wir den selben Vater haben", meinte sie. "Tja, nur leider bin ich keine so verhätschelte Prinzessin wie Mighan, die kaum den Arsch hoch bekam, um etwas selbst zu machen", giftete Azara. "Gib es zu, du hängst bei den Famossa mit drin. Über deine ach so tollen Freunde", meinte Azara verächtlich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ronay war es nicht wert, Energien in einen Kampf mit ihm zu stecken, zumal er für sein Alter schon recht kräftig war.

"Wie kannst du so über ein zehnjähriges Mädchen reden!" schrie Ronay auf und schlug Azara mit der Faust auf den Wangenknochen. "Und was soll der Spruch von wegen mir und der Famossa? Meinst du, ich hätte was mit Mighans Entführung zutun!"

Mit einem Satz war er über Azara und schlug mit dem Handrücken in ihre andere Gesichtshälfte. "Genau das meinte ich, mit deiner losen Klappe!" rief der Junge. Mit einer Hand griff er in ihre Haare, mit der anderen an ihre Kehle. "Halt doch einfach mal die Fresse, oder brauchst du Hilfe dabei!?" meinte er sarkastisch.

"Ich kann so über sie reden, weil es so ist. Sie war ein verhätscheltes, verwöhntes Ding", gab Azara zurück. Unter seinem Schlag taumelte Azara zurück. "Woher soll ich das wissen, ob du da mit drin hängst? Bei dir und deinen undurchsichtigen Freunden weiß man nie genau, was ihr so treibt!" schrie sie und konnte dem zweiten Schlag durch Wegducken größtenteils entgehen.

Azara wimmerte vor Schmerz, als Ronay an ihren Haaren zerrte und ihr an die Kehle griff. Sie schlug um sich und traf mit einem gezielten Schlag seine Kronjuwelen.

"Ohhhhhh", meinte Ronay erstickt. Er konnte kaum atmen, und seine Beine gaben nach. Es brannte so sehr in seiner Leistengegend, dass seine Fortpflanzungsorgane und die Oberschenkel kein Gefühl hatten. Vor Wut bekam er Tränen in die Augen. "Hör... hör auf Schwachsinn über... über Mighan zu erzählen!" keuchte Ronay und grapschte mit beiden Händen nach Azara, um das vorlaute Miststück zu packen zukriegen.

Azara machte einen Sprung nach hinten außer Reichweite ihres Halbbruders. "Warum sollte ich aufhören die Wahrheit zu sagen?" fragte sie ihn lauernd und ging um Ronay herum. "Die Famossa wusste genau, wen sie sich mit der geringsten Gegenwehr schnappen konnten. Woher wohl? Weil sie Daddys kleine Prinzessin war", giftete Azara.

"Sag deinem gekränkten Ego, es soll sich nach Minory Prime scheren!" fauchte Ronay. Er atmete tief durch, biss die Zähne zusammen und stürzte sich auf Azara. "DU bist es doch, die sich Stunden auf der Straße rum treibt! Die mit Obdachlosen, Booze-Junkies, und Streuner-Gangs rumhängt! So eifersüchtig wie du bist, hast du sicher nicht gezögert die Famossa auf Mighan zu hetzen! Du hast Gelegenheit und ein Motiv gehabt! Du warst es, Azara! Du hast meine Schwester getötet!" redete Ronay sich in Rage.

Er packte das ältere Mädchen an den Schultern und drückte sie gegen die Wand. Der Lafo holte mit der Faust aus, um sie Azara in das Gesicht zu rammen und ihre Nase zu zerschmettern. Die Beine hatte er im Ausfallschritt, damit sie ihm nicht mehr so leicht dahin treten konnte wo es wehtat.

"Das hättest du wohl gerne", schimpfe Azara. "Das kann wohl nicht dein Ernst sein. Weshalb sollte ich bitte Daddys kleine Prinzessin verraten, kannst du mir das mal sagen?" fluchte sie.

Azara trat und schlug um sich, um sich aus Ronays Griff zu befreien, doch der Junge war für sein Alter recht stark. "Wenigstens sind die Leute auf der Strasse ehrlicher, als manch anderer. Du bist verlogen und durchtrieben!" schrie sie.

Schließlich traf Azara mit ihren Nägeln Ronays Gesicht und fügte ihm mehrere nicht unerheblich tiefe Kratzer zu. Jaulend wich dieser zurück und ließ dadurch Azara los.

"Du bist widerlich. Ein Schoßhündchen deiner Mutter", fuhr Azara ihn an, riss die Türe auf, rannte die Treppe hinunter und verließ das Haus.

Sie kam nicht weit, da hatte ihr Vater sie gestellt und an den Schultern gepackt. "Lauf nicht weg! Ich muss dringend mit dir reden! Bitte!" rief Wayry Pihto und bemühte sich Azara zurück ins Haus zu ziehen.

Er brachte sie ins Wohnzimmer, wo Kaia wartete. Von oben war das Jaulen von Ronay zu hören. "Schatz, sieh bitte nach dem Jungen", schickte Wayry seine Frau hinaus.

"Aber...?" fragte sie erstaunt, doch Pihto ließ sie nicht zu Wort kommen: "Es ist mir ernst, Kaia!"

In gewohnter Manier schluckte sie ihren Widerwillen und ihren Ärger herunter. Kaia nickte und verließ das Zimmer.

Wayry betrachtete die gerötete Schläfe und das gerötete Kinn seiner Tochter. "Ihr hattet euch ganz schön in den Haaren...", seufzte er. Dann begann er Azara von den Überlegungen zu erzählen, die er mit Kaia angestellt hatte: "Wir wollen nach Stroia ziehen. Das ist der einzige Ort, an dem sich die Regierung keine Korruption leisten kann, weil es dort ständig Reibereien mit den Minorytanern gibt. Wenn uns irgendwo gegen die Famossa geholfen wird, dann dort."

Er machte eine Pause, blickte Azara traurig an. "Du wirst uns nicht begleiten. Laut dem Video sind nur Kaia, deine Brüder und ich bedroht. Entweder wissen sie nicht, dass es dich gibt, oder sie halten dich nicht für zur Familie gehörig. Wir möchten dich an einen anderen Ort schicken, der uns relativ sicher erscheint. Hast du heute in den Nachrichten von der fremden Raumstation erfahren?"

Azara wollte sich erst von ihrem Vater losreißen, doch schließlich gab sie seiner Bitte nach. Doch bei seinen Worten blickte sie ihn ungläubig an. "Was soll das heißen, ich werde euch nicht begleiten? Gehöre ich nicht zur Familie, bin ich weniger wert als Ronay, Larot oder Mighan?" fragte sie verletzt. "Relativ sicher? Also ist es euch egal, ob er sicher ist oder nicht. Und warum soll ich auf diese Station? Allein? Was soll ich da? Soll ich für irgendeinen Lafo das Dienstmädchen spielen oder als was willst du mich dahin schicken?" fragte Azara aufgebracht. "Ronay hatte Recht. Ich gehöre wohl nicht zu dieser Familie", stellte sie leise resigniert fest.

"Azara, bitte versteh doch!" flehte Wayry seine Tochter an. "Die Famossa sieht dich nicht als Ziel ihrer Verfolgung, sie hat es auf Kaia, Ronay und Larot abgesehen. Auf dich nicht! Sobald sie irgendwie den Eindruck bekommen, dass du mir viel bedeutest, ist das hinfällig! Dich von uns fernzuhalten ist am sichersten für dich", erklärte Pihto.

Wieder griff er nach Azara, packte sie an den Hüften und hob sie auf seinen Schoß. Ihre Haare streichelnd meinte er hilflos: "Nirgendwo ist man garantiert vor denen sicher. So einen Ort gibt es leider nicht. Daher rede ich von relativer Sicherheit. Auf Stroia gilt das für uns genauso."

Die vermutete Unkenntnis von Azara seitens der Famossa mochte es unnötig erscheinen lassen das Mädchen in Sicherheit zu bringen, aber sobald die Pihtos auf Stroia untergetaucht sein würden, würde man nach ihnen suchen. Diese Suche würde sehr wahrscheinlich über Azara führen.

"Aber warum sind meine Brüder mehr wert als ich?" fragte Azara unsicher. "Warum willst du weglaufen? Warum mich von dir trennen? WARUM wehrst du dich nicht?" verlangte Azara zu wissen. "Aber was soll ich auf dieser Station? Wovon soll ich da leben? Was soll ich da tun?" bombadierte sie ihren Vater mit Fragen.

Sie hatte in den Nachrichten gehört, dass eine Gruppe wieder nach Mamori reisen würde. Um den Bau der Botschaft voran zu treiben, hatte es in den Nachrichten geheißen. Wollte ihr Vater sie etwa mit denen mit schicken, als eine Art... ja, als was genau eigentlich?

"Ich weiß es nicht, wirklich nicht, wieso diese Kerle dich nicht kennen oder dich nicht als zu uns zu gehörig betrachten. Vielleicht, weil du so oft unterwegs bist", scherzte Wayry Pihto trocken über Azaras Streifzüge durch die Straßen. "Auf keinen Fall bist du weniger Wert als deine Brüder! Ich halte es nur sicherer für dich, wenn du dich von uns trennst. Ronay und Larot sind sicher gute Jungs, aber sie können kaum alleine zurecht kommen. Bei dir ist das anders", erklärte ihr Vater. Er seufzte und fragte sie: "Gegen wen soll ich mich denn wehren? Soll ich jeden Booze-Junkie erschießen, der mir auf der Straße begegnet? Wir haben zwar einen Tra und einen Fasa in dem Video gesehen, aber das sind Männer, die nirgendwo erfasst sind. Du kennst doch am ehesten wie das läuft, dir muss man das Universum doch nicht erklären."

Den Wink ihres Vaters über ihre häufigen Streifzüge ließ Azara unkommentiert. "Soll das etwa ein Kompliment sein? Dass ich reifer bin und eher weiß wie das Universum funktioniert?" fragte sie ihren Vater überrascht. Schließlich nickte Azara ergeben. "Ich verstehe, doch du hast mir nicht gesagt, was ich auf dieser Station machen soll. Man wird mich nicht so ohne weiteres rein und bleiben lassen", erklärte sie.
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